Fachtagung Demenz in Batschuns (Österreich) am 19. Oktober 2009
Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz
Die Aktion Demenz Vorarlberg lud mit der Aktion Demenz e.V. zur Internationalen Fachtagung nach Batschuns.
Die Aktion Demenz Vorarlberg veranstaltete gemeinsam mit der Aktion Demenz e. V. am 19. Oktober im Bildungshaus Batschuns eine internationale Fachtagung zum Thema Demenz. Rund 120 Gäste aus ganz Österreich und Deutschland reisten an, um die geladenen Experten aus Pflege, Betreuung und Wissenschaft zu hören.
Aus der Pressemitteilung der Aktion Demenz Vorarlberg entnommen:
Text: Diana von Waldburg-Zeil (D)
„Demenz salonfähig zu machen ist die Vision von einer gelungenen Umsetzung der Ziele, die die Aktion Demenz in Vorarlberg seit über einem Jahr verfolge", sagte Landesrätin Greti Schmid anlässlich der Internationalen Fachtagung Demenz, die im Bildungshaus Batschuns am 19. Oktober stattfand.
Es darf keine Trennung zwischen dement und nicht dement geben", so Prof. Dr. Dr. Reimer Gronemeyer, Professor für Soziologie in Gießen und erster Vorsitzender der Aktion Demenz in Deutschland bei der gemeinsamen Begrüßung mit Norbert Schnetzer, Pflegedirektor am LKH Rankweil und Projektleiter der Vorarlberger Aktion.
Demenz aus verschiedenen Blickwinkeln
Thomas Klie, Theologe, Soziologe und Professor für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften an der Evangelischen Fachhochschule Freiburg, verdeutlichte in seinem Vortrag „Demenz und Zivilgesellschaft" den Wert und die Bedeutung, aber auch die Verantwortlichkeit des bürgerschaftlichen Engagements im Umgang mit Demenz. Die Tatsache, dass die Betreuung und die Pflege von Demenz-Betroffenen zu 98 % durch die Familie und private Organisationen und Initiativen geleistet werden, zeige den Stellenwert der Zivilgesellschaft im sozialen System. Toleranz und Respekt, als menschliche Grundwerte, zeichnen eine Zivilgesellschaft aus, in der sich jeder Einzelne „nicht nur für den Augenblick, sondern auch für die Zeit danach mitverantwortlich fühlt". Die bürgerschaftliche Grundhaltung und Unternehmenskultur in Vorarlberg bezeichnete Klie daran gemessen als vorbildlich.
Die Herausforderung, die Demenz für Angehörige bedeutet, war Inhalt des Vortrages von Christina Hallwirth-Spörk, Pflegedirektorin der CS Pflege- und Sozialzentren und wissenschaftliche Leiterin des CS Institutes für Gerontologie und Palliative Care. „Wenn das Kind zur verantwortlichen Pflegeperson wird, bedeutet das nicht nur einschneidende Veränderungen in der persönlichen Lebensführung, sondern auch die oftmals enttäuschende Konfrontation mit öffentlichen Stellen und sozialen Einrichtungen." Die Referentin bedauerte das immer noch bestehende Nichtwissen über Demenz in der Gesellschaft sowie die Missstände und mangelnde Vernetzung sozialer Institutionen. Weiter meinte sie: „Das Wohlbefinden und Angenommen-sein der Betroffenen muss ebenso im Vordergrund stehen wie die Wahrung der körperlichen und seelischen Gesundheit der Angehörigen."
Diese zu motivieren, bestehende Hilfsangebote anzunehmen und zu nutzen, sei dringend notwendig. Für ganz wesentlich erachte sie auch, die Begegnung zwischen Jung und Alt in der Gesellschaft zu initiieren und zu fördern: „Kinder sollen, gut begleitet, die Realität kennen lernen!"
Höchste Zeit für eine neue Kultur des Helfens
Im Vortrag „Demenzfreundliche Gemeinden - Herausforderungen in der Umsetzung", forderte Verena Rothe, Soziologin M.A. und Leiterin der Geschäftsstelle der Aktion Demenz in Gießen (Deutschland), neue, kreative, würdevolle und Teilhabe-orientierte Wege im Umgang mit Demenz. Es sei höchste Zeit für eine neue Kultur des Helfens, in der Netzwerke der Solidarität geknüpft und Demenz zur Normalität verholfen werde. Um die Stimmen von Menschen mit Demenz hörbar zu machen, ihnen eine Teilhabe am öffentlichen Leben zu ermöglichen und ihnen in Achtung und Wertschätzung zu begegnen, müsse ein Bewusstseinswandel, der bereits bei Kindern einsetzen sollte, stattfinden. Eine demenzfreundliche Gemeinde könne dann entstehen, wenn sowohl professionelle als auch bürgerschaftliche Akteure sich dafür einsetzen.
Menschen mit Demenz werden zu unseren Blindenhunden
Burkhard Plemper, Soziologe und Journalist, moderierte das Gespräch zwischen Reimer Gronemeyer und Thomas Klie zu der Frage „Wohin geht die Reise? Was erwartet uns in den nächsten Jahren?"
„Menschen mit Demenz werden zu unseren Blindenhunden, die uns in eine Gesellschaft vorauseilen, in der vieles anders ist", sagte Reimer Gronemeyer. Thomas Klie fügte hinzu: „Nur ein fürsorgliches Umfeld kann Voraussetzung für die Autonomie des Einzelnen sein."
Das Wohlbefinden muss an erster Stelle stehen
Die Impulse der Vorträge wurden nachmittags in thematischen Arbeitskreisen vertieft und erweitert. Diese dialogischen Gespräche hatten zum Thema:
„Demenzfreundliche Gemeinde" mit Reimer Gronemeyer und Verena Rothe,
„Ethische Fragen und ökonomische Krise" mit Christian Petzold, Diplom-Pflegewirt, „Ernährung bei Demenz Stärkung des Wohlbefindens für Leib und Seele" mit Maria Magdalena Schreier, Diplom-Pflegewirtin, und Willi Rückert, ehemaliger Leiter der Abteilung Sozialwirtschaft des Kuratorium Deutsche Altershilfe,
„Lebensqualität für Menschen mit Demenz durch Bewegung und Rhythmus" mit Traudel Theune, Diplompädagogin, Tanz- und Bewegungstherapeutin, und
„Technik und Demenz" mit Heike von Lützau-Hohlbein, erste Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft.
Zum Abschluss der Fachtagung wurden die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen vorgestellt. Wie Moderator Burkhard Plemper meinte: „So hat keiner das Gefühl, einen guten Workshop besucht und vier andere gute versäumt zu haben!"
Die Inhalte der internationalen Fachtagung Demenz in Batschuns, die vor allem die Lebensqualität der Betroffenen und deren Angehöriger sowie ethische und moralische Gesichtspunkte zur Diskussion brachte, haben gezeigt, dass die gesellschaftliche Verantwortung für Menschen mit Demenz nicht auf die medizinische Versorgung reduziert werden darf.
Die Tagung machte bewusst: Demenz bedeutet nicht aufzuhören zu leben.
Fotos von Johannes Eisenhut (CH)
Für weitere Impressionen der Tagung: www.aktion-demenz.at