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Dr. Stefan Dipper, Facharzt Allgemeinmedizin: „Es ist wichtig, die richtige Sprache zu finden.“


Foto12_DipperBurkhard Plemper: Dr. Stefan Dipper ist Arzt, Allgemeinmediziner und Psychotherapeut, also einer der Profis - ich frage mich gerade, ob sie einer der Räuber sind, unter die die Menschen mit Demenz fallen .... [bezieht sich auf den Beitrag von Pastor Sönke Wandschneider]

Stefan Dipper: Soll ich da gleich darauf antworten?

Burkhard Plemper: Sagen Sie gleich etwas dazu.

Stefan Dipper: Also, ich fühle mich nicht persönlich angesprochen von diesem Vorwurf, aber ich kenne dieses Problem und ich denke [zu Pastor Wandschneider gewandt] Sie haben Recht, im großen Ganzen.

Burkhard Plemper: So viel zu Bekenntnissen eines Profis. Es geht ja um das Verhältnis der Professionellen mit den Patienten, mit den Angehörigen, mit denen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren, und wir sagen in der Aktion Demenz immer „Wir begegnen uns auf Augenhöhe" - wir blicken nicht auf zu den Experten, zu den Profis, sondern wir arbeiten und reden miteinander auf gleicher Ebene. Das ist für viele in ihrem Betrieb eine große Schwierigkeit, sich darauf einzulassen, oder?

Stefan Dipper: Das ist in der Tat richtig. Sie wissen, dass die Ärzte aus einer stark hierarchisierten Welt stammen, das fängt gewissermaßen noch in der Schule an, wenn der Numerus Clausus vor einem steht und wenn man das bestanden hat oder eine entsprechend lange Wartezeit hinter sich gebracht hat, so wie das früher bei mir der Fall war, dann haben viele Menschen die Vorstellung, eigentlich einen wesentlichen Teil der Arbeit geleistet zu haben für die Gesellschaft, auf jeden Fall eine entsprechende Position in der Gesellschaft zu vertreten. Und das wird dann in der universitären Ausbildung insbesondere noch deutlich weiter fort produziert. Leider ist es so, dass viele Kollegen und Kolleginnen vor allen Dingen natürlich früher mit diesem Selbstverständnis an den Start gegangen sind, aber da hat sich sicherlich vieles geändert und ich würde sagen, wenn man die unterschiedlichen Professionalitäten sieht, den Stand, für den ich jetzt auch stehe, nämlich für den hausärztlichen Stand, wenn man sich das einmal anschaut, dann würde von dem aus, was ich überblicken kann sagen, das ist heute nicht mehr so.

Burkhard Plemper: Aber da gibt es ja auch ergreifende und wirklich auch ärgerliche Geschichten, wenn die Kommunikation völlig schief gelaufen ist. Das ist natürlich bei den Hausärzten ganz anders, das ist klar, aber es ist sicher ein Problem im medizinischen Versorgungsbetrieb. Was kann man denn da tun, um das zu verbessern? Was können wir tun als diejenigen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren?

Stefan Dipper: Also Sie fragen mich jetzt als Arzt und ich würde zunächst einmal als Arzt für mich auch sprechen, was ich tun kann, bzw. was wir als Ärzte tun können. Ich denke, es ist zunächst einmal wichtig, die richtige Sprache zu finden. Es wird ja immer wieder dargestellt, wie die Ärzte mit ihrer eigenen Terminologie - Sie hören, ich spreche von der Terminologie, das bedeutet mit ihrer eigenen Fachsprache - mit ihrer Begrifflichkeit eben Abstände schafft, möglicherweise sogar Gräben schafft, und wir müssen uns bemühen, mit den Patienten, aber ich denke, was hier jetzt heute das Thema ist, das sind die Angehörigen, dass wir also mit den Angehörigen eine gemeinsame Sprache finden. Das ist aber nicht nur die Frage sozusagen der medizinischen Fachsprache, sondern wir müssen verstehen, was die Angehörigen umtreibt. Wir müssen versuchen, die Nöte und Sorgen der Angehörigen zu verstehen, aufzugreifen und wir müssen auch versuchen, die Sorgen und Nöte der Betroffenen selber zu verstehen.
Burkhard Plemper: Ich möchte das einmal ein wenig in Frage stellen. Also: Sie sind mein Hausarzt, Ihnen fällt auf, weil Sie mich über lange Zeit kennen, irgendetwas stimmt mit dem nicht, vielleicht sagt meine Frau auch „Der ist jetzt so komisch geworden" ... - es geht mithin um ein frühes Stadium. Da erwarte ich eigentlich, dass Sie auch mit mir als dem Patienten das erörtern und nicht, wie ich es vielleicht empfinden würde, über meinen Kopf hinweg oder hinter meinem Rücken mit meinen Angehörigen. Ist das schon einmal die erste Schwierigkeit, weil man mit den Angehörigen besser reden kann als mit den Patienten selbst?

Stefan Dipper: Nein, das wollte ich vorhin auch nicht zum Ausdruck bringen, sondern ich wollte nur damit sagen, dass für mich eine Hauptarbeit eigentlich die Arbeit und das Gespräch eben mit den Angehörigen ist. Sie sprechen jetzt das Problem der Frühdiagnostik an und die Frage „Wie gehe ich als Arzt mit den Patienten um?". Und da haben Sie natürlich Recht, dass wenn mir etwas auffällt an Ihnen bzw. an dem Patienten, dass ich dann versuche, mit Ihnen über die Situation zu sprechen - um mir auch wirklich eine Sicherheit zu verschaffen. Und dann mit Ihnen als Patient das Thema auch als solches zu benennen. Das heißt, ich würde schon in einem frühen Stadium versuchen wollen, nachdem ich erfühlt, erspürt habe, ob sie bereit dazu sind, auch den Begriff Demenz und die Begrifflichkeit der Demenzerkrankung mit hineinzunehmen.

Burkhard Plemper: Wäre ich natürlich nicht, ich fühle mich jung und sonstwie, das ist ja die kommunikative Schwierigkeit und es ist ja die Schwierigkeit, darüber reden wir ja, dass es sich um ein tabuisiertes Thema handelt. Können wir, vielleicht haben Sie Forderungen an uns, etwas dafür tun, dieses Tabu aufzulösen, abzubauen, es mehr zur allgemeinen Diskussion zu bringen.

Stefan Dipper: Ich denke, es ist ganz wichtig, dass in der Gesellschaft immer und überall wieder das Thema Demenz diskutiert wird. Dass in der Presse, in der Öffentlichkeit, einfach diese Schwellen langsam und in einem längerfristigen Prozess zu mindern. Ich denke, wir sind da auch schon auf dem Weg. Natürlich, die Alzheimergesellschaft macht sehr viel, aber wenn ich so schaue, in welchen Zeitschriften, Tageszeitungen Berichte über Demenzerkrankungen erscheinen, dann denke ich ist das ein Weg, das Thema in der Gesellschaft zu verankern.

Burkhard Plemper: Wir arbeiten dran. Danke, Herr Dr. Dipper