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„Kommunen haben Grenzen – ich wünsche mir mehr Durchlässigkeit“ – Annegret Grüninger, ehemals pflegende Angehörige und ehrenamtlich Engagierte

Annegret Grüninger ist heute Mitglied im Vorstand der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg


Foto5_GrueningerBurkhard Plemper: [...] Frau Grüninger, wie ist das, wenn man die belastende Pflegesituation mit ein bisschen Abstand sieht? Was kommt da an Gefühlen bei den Schilderungen hoch - würden Sie sagen: Jetzt weiß ich, wie ich es besser machen könnte, wie ich vielleicht auch mehr auf meine Belastungen achten könnte?

Annegret Grüninger: Dieses Gefühl kommt ganz sicher. Ich habe festgestellt, als ich das erst Mal in einer Betreuungsgruppe tätig war, dass ich plötzlich alle Phasen, die mein Mann durchlebt hat, die ich mit ihm durchlebt habe, noch einmal durchlebt habe. Das war sehr schmerzhaft. Inzwischen, denke ich, habe ich so viel Distanz, dass ich das schon auch ruhig sehen kann und sagen kann - ich möchte mich nicht nur berühren lassen, wie es gerade gesagt wurde, sondern ich möchte mich auch inspirieren lassen ... ich möchte sehen: Welche Kreativität kann ich als Betreuender, als pflegender Angehöriger noch einsetzen, um das Leben des Dementen angenehmer, erfüllter, schöner zu machen.

Burkhard Plemper:
Was bedeutet es denn, sich, wenn die Pflegesituation vorbei ist, noch einmal darauf einzulassen? Ich könnte mir vorstellen, dass man auch sagen könnte: Ich bin froh, dass diese Belastung vorbei ist. Und dann setzen Sie sich dieser Situation nicht direkt, aber indirekt wieder aus, oder?

Annegret Grüninger: Ja, aber ich tue dies mit der Gewissheit, dass ich weiß, wovon ich rede. Und dass ich weiß, dass die pflegenden Angehörigen das eine oder andere Bedürfnis haben können. Ich muss nicht davon ausgehen, dass sie alle dieselben Bedürfnisse haben, die ich hatte, aber zumindest habe ich eine Wahrnehmung dafür, was Angehörige brauchen.

Burkhard Plemper: Wir machen uns ja viele Gedanken darüber, wie es einem Menschen mit Demenz gehen mag, wir machen uns oft weniger Gedanken, wie es einem pflegenden Angehörigen gehen mag. Was brauchen sie, wenn wir dieses hochtrabende Wort „Demenzfreundliche Kommune" aussprechen - was bedeutet das für Sie, was wollen Sie da haben?

Annegret Grüninger: Kommunen haben Grenzen. Und es gibt Menschen, die innerhalb dieser Grenze wohnen und solche, die außerhalb der Grenze wohnen. Und ich würde mir wünschen, dass diese Grenzen zwischen Kommunen nicht mehr so starr sind, dass die durchlässig sind. Denn da habe ich schwierigere Erfahrungen gemacht. Nicht jede Kommune muss das Rad neu erfinden. Nicht jede Kommune muss alles anbieten. Unsere Gesellschaft wird dies bei der steigenden Zahl der Erkrankten gar nicht leisten können. Also müssen Kommunen hier aufeinander zugehen - die Vertreter der Kommunen - und gemeinsam schauen: Wo können wir gemeindegrenzenübergreifend Dinge anstoßend und wie kann dies dann den Bürgerinnen und Bürgern auch deutlich gemacht werden: Hier bekommt ihr diese Hilfe und dort jene?